AFGHANISCHE KRIEGSTEPPICHE
SAMMLUNG TILL PASSOW
27. Februar - 20. März 2015
Einführung
Prof. Dr. Jürgen Wasim Frembgen
Islamwissenschaftler
Pressetext
Geknüpftes Gedächtnis
Krieg in afghanischer Teppichkunst
Das Besondere afghanischer Kriegsteppiche liegt in der schockierenden Überlagerung von traditioneller Kunstschönheit und aktuellem Kriegsgeschehen. Sie entstanden erstmals Anfang der 1980er Jahre vor dem Hintergrund des afghanischen Widerstands gegen die Invasion sowjetischer Truppen und dokumentieren eindrucksvoll das Eindringen der Hölle ins Paradies. In ihren Darstellungen treten Panzer, Kampfhubschrauber, Jagdbomber, Kalaschnikows, Handgranaten und Minen an die Stelle traditioneller dekorativer Elemente und werden zu Sinnbildern für das alltägliche Grauen dieses Krieges. Obwohl diese geknüpften Bilder die Allgegenwart todbringender Waffen bezeugen und vom Leid der Menschen und ihren seelischen Verletzungen berichten, verweisen sie auch auf traditionelle Werte, die Hoffnung geben sollen und Frieden verheißen. Mit dieser “Kunst im Widerstand“ haben die Menschen eine Ausdrucks-form gefunden, um sich mit den furchtbaren Kriegserlebnissen und ihrer Flucht aus der Heimat auseinander-zusetzen, sie zumindest ansatzweise psychisch zu verarbeiten.
Beinahe 35 Jahre Krieg haben die visuelle Kultur Afghanistans geprägt. Als Bilder des Erinnerns haben diese Teppiche des Krieges eine ungewöhnliche und anhaltende Aktualität. Ihre „Designer“ und Hersteller sind zu „visuellen Historikern“ geworden. Die Zeitdokumente, die sie geknüpft haben, widersetzen sich westlichen Sehgewohnheiten, die sich immer noch häufig an den imaginären Welten von 1001 Nacht orientieren. Denn nicht nur, dass sie ein Tabu durchbrechen, indem sie etwas zum Schmuck erheben, was für uns böse ist; sie reagieren zudem auf einen lebensbedrohlichen Alltag in der modernen Jetzt-Zeit mit einem Herstellungsverfahren aus vorindustrieller Zeit und integrieren so ihre Gegenwart in ein neues Kulturgut. Der augenscheinliche künstlerische, historische und soziale Wert macht aus den Teppichen nicht nur außergewöhnliche Sammelobjekte, sondern auch einen Gegenstand von Untersuchungen und Ausstellungen in Galerien und Museen weltweit.
Till Passow hat bei Filmarbeiten in Pakistan und Afghanistan in über einer Dekade eine umfangreiche Sammlung von Kriegsteppichen zusammengetragen und damit Die Neue Sammlung - The International Design Museum Munich, der Pinakothek der Moderne, dabei unterstützt, ihre eigene Sammlung von Kriegsteppichen zu begründen. Thomas Wild hat sein Interesse für diese Teppiche in den 80iger Jahren in Pakistan entdeckt. Die Teppich Galerie Wild in Berlin-Mitte zeigt in einer Ausstellung, die am 26.02.2015 eröffnet wird, ausgewählte Exponate der Sammlung Passow von der sowjetischen Besatzungszeit bis in die Zeit der ISAF. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Prof. Dr. Wasim Frembgen, Hauptkonservator und Leiter der Abteilung Islamischer Orient am Museum Fünf Kontinente in München.
Prof. Frembgen, Till Passow und Thomas Wild werden am Tag der Eröffnung in die Ausstellung einführen.